Ist 100 % Frischluft erforderlich oder welcher Anteil Umluft ist unter Coronabedingungen noch unschädlich?
Frage:
Muss man unbedingt 100 % Frischluft fahren oder wieviel Prozent Umluft ist unter Coronabedingungen unschädlich? Das ist wichtig im Hinblick auf die Energiekosten in den Wintermonaten.
Taxonomie
Raumlufttechnik -> Lüftungsarten
Antwort:
Wie in der Stellungnahme der Kommission Innenraumlufthygiene am Umweltbundesamt entnommen werden kann, stellt eine möglichst hohe Frischluftzufuhr eine der wirksamsten Methoden dar, um potenziell virushaltige Aerosole aus Innenräumen zu entfernen (siehe UBA, 2020) und deren Konzentration durch Verdünnung mit unbelasteter Luft zu senken. Insofern stellen Raumlufttechnische Anlagen (RLT), die mit einem hohen Umluftanteil betrieben werden, unter bestimmten Umständen eine (zusätzliche) Gefahrenquelle dar. Bei einem hohen Umluftanteil in RLT-Anlagen in Verbindung mit unzureichender Filterung kann es beim Aufenthalt infizierter Personen, welche Erreger ausscheiden, über den Zeitraum der Filmvorführung zu einer Anreicherung von infektiösen Aerosolen in der Luft kommen. Hinweise deuten nach der schon oben erwähnten Stellungnahme auf einen SARS-CoV-2-Ausbruch im industriellen Produktionsbereich aufgrund eines hohen Umluftanteils der RLT-Anlage hin. Entscheidend ist also wie gut die Umluft z.B. durch Filter gereinigt wird.
Technische Umrüstungen können mit größeren Gebäudeumbauten und entsprechenden wirtschaftlichen Belastungen einhergehen. Dennoch empfiehlt unter anderem Robert Hild vom Fachverbande Allgemeine Lufttechnik im VDMA als langfristige Lösung eine maschinelle bzw. mechanische Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, womit auch das angesprochene Problem der Energiekosten in den Wintermonaten gelöst werden könnte bzw. diese zumindest entsprechend verringert werden können (siehe Brakmüller, 2021).
Die Fragestellung nach einem zulässigen Umluftanteil ist kaum pauschal zu beantworten, da sehr viele anlagenspezifische Faktoren eine Rolle spielen. Ist beispielsweise Filterungstechnik in der RLT-Anlage verbaut und wie wirksam ist diese? Mehrere Fachliteraturquellen weisen auf eine erhöhte Sicherheit durch Abscheidung und damit Entfernung der Partikel aus dem Umluftstrom mittels hochabscheidender Schwebstofffilter, das heißt HEPA-Filter der Klassen H 13 und H 14 hin, was sich beispielsweise bei dreistufigen Filteranlagen in Krankenhäusern bereits in der Praxis bewährt hat (siehe z. B. UBA, 2020). So wurden hohe Infektionszahlen auf einem Kreuzfahrtschiff trotz Quarantäne der Passagiere in ihren Kabinen auf eine Lüftungsanlage mit unzureichender Filterung zurückgeführt (siehe Almilaji & Thomas, 2020).
Vor diesem Hintergrund der zumeist unbekannten Luftbehandlung in der Umluft wird im Positionspapier der Gesellschaft für Aerosolforschung (GAeF) generell von der Verwendung des Umluftbetriebes abgeraten und stattdessen die Zufuhr von 100 % Frischluft mit möglichst hohem Volumenstrom und Wärmeaustausch empfohlen (siehe GAeF, 2021). Ist eine Luftbehandlung mit Filtrierung mit Klasse ePM1 > 80% bzw. UVC-
Bestrahlung gemäß Herstellerbedingungen vorhanden, so werden z. B. seitens BKM im allgemeinen Umluftanteile von 30% als ausreichend eingestuft (BKM, 2022).
Literatur
Almilaji, Orouba; Thomas, Peter W. (2020): Air recirculation role in the infection with COVID-19, lessons learned from Diamond Princess cruise ship.
Brakmüller, Sascha (2021): VDI-Herstellererklärung für mobile Luftreiniger. In: Holzmann Medien GmbH & Co. KG, 08.11.2021.
https://www.si-shk.de/vdi-herstellererklaerung-fuer-mobile-luftreiniger-128007/, zuletzt geprüft am 10.01.2022